Bildungshaus im Renaissanceschloss
Das Schloss Goldrain befindet sich in Goldrain, einer Fraktion der Gemeinde Latsch in Südtirol. Es war zuletzt der Stammsitz der Grafen Hendl und fungiert seit 1989 als Bildungshaus.
Erbaut wurde es ab etwa 1323 als freistehender Ansitz durch die bereits 1309 in Goldrain erwähnte Adelsfamilie der Scheck von Goldrain. Das exakte Baudatum ist nicht bekannt, jedoch wurde im Jahre 1999 bei drei Eichenbalken im Erdgeschoss das Schlägerungsdatum mit Hilfe von wissenschaftlichen Untersuchungen auf das Jahr 1335 oder kurz danach angesetzt. Der Baubeginn kann daher bis spätestens um etwa 1350 angenommen werden. Dieses Gebäude ist heute als Nordtrakt in das Gesamtensemble integriert. Wie das Anwesen an die Familie Hendl (ursprünglich nicht von Adel, waren die Hendl angesehene Burgmannen und Verwalter) kam, ist nicht bekannt, jedoch bestanden enge verwandtschaftliche Beziehungen zur Familie Scheck, sodass eine Erheiratung oder Erbschaft möglich ist.
Jener Nordtrakt bestand ursprünglich aus einem rechteckigen Wohnhaus. Etwa 1528/29 ließ der damalige Besitzer, Siegmund (III.) Hendl zu Goldrain, diesen Bau etwas vergrößern und an der nordwestlichen Ecke mit einem Abortturm (heute Treppenturm) versehen. An die Ostseite des Altbaus wurde ein großer, zweigeschossiger Erker angefügt, auf dem sich in einem Dreipass aus weißem Marmor die Wappen von Österreich, Hendl und Ramschwang befindet.
Erweiterung im 16. Jahrhundert
Im Jahre 1562 ließ Franz Hendl an die Nordfassade im oberen Stockwerk zwei Erker anbauen, um mehr Licht und Wohnqualität in die Räume zu bringen. Nachdem die Verbesserungen im Nordbau nicht zu einer befriedigenden Lösung geführt hatten, begann Franz Hendl wenig später damit, südlich der bestehenden Bausubstanz einen neuen Trakt errichten zu lassen. Nach und nach entstand der quer über die ganze Front verlaufenden Südflügel. Eine Verbindung zwischen beiden Gebäudeteilen wurde durch eine Brücke mit aufgesetzten Arkaden hergestellt. Hier befanden sich auch die repräsentativen Wohnräume.
In der Südwestecke des Trakts befindet sich im zweiten Stock mit dem Rittersaal, ausgestattet mit fünf Fenstern, der größte Raum des Schlosses. Hier findet sich auch die Inschrift „1588 Franntz Hendl zu Goldrain Ritter Für. (stlich) Dur. (chlauchtigster) Raht und Landhaubtmann an der Etsch“. Dieser Raum ist mit einer prunkvollen Kassettendecke ausgestattet, verfügte jedoch über keinen Ofen und war daher im Winter nicht zu nutzen. Daran anschließend liegt das sogenannte Geisterzimmer, das, ebenfalls prunkvoll ausgestattet, verschiedene Wappen derer von Hendl und von Thun (Margarete von Thun, Ehefrau des Ulrich Hendl), sowie die Jahreszahlen 1601, 1618 und 1633 zeigt.
Von dem gleichen Bauherrn wurde dann auch die Schlosskapelle errichtet, die an den Südosttrakt angebaut wurde und heute den Raum zur Mauer vollständig abschließt. Im oberen Bereich der Kapelle befindet sich ein Gang, der vom Loggiengang direkt auf die herrschaftliche Empore führt. Der Ostabschluss der Kapelle besteht aus einer Glockenmauer mit barocker Rundbogenform und Gestühl für zwei Glocken. Der einflüglige Altar stammt mit Ausnahme des neugotischen Tabernakels aus dem frühen 17. Jahrhundert. An die Nordwand der Kapelle ist eine kleine Sakristei angefügt.
Ringmauer und Türme
Ulrich Freiherr Hendl ließ zu Beginn des 17. Jahrhunderts eine imposante, verputzte Ringmauer in den Ausmaßen von 58 Meter auf 70 Meter und einer Höhe bis zu sieben Metern errichten. An jeder Ecke des Karrees befindet sich ein Rundturm mit einem Kegeldach. Die beiden südlichen Türme sind unter dem Dachansatz mit Sgraffitibändern verziert. Die Türme haben drei Stockwerke, von denen das Dachgeschoss jeweils als Taubenschlag genutzt wurde. Auch wenn die Ecktürme mit Mauerscharten ausgestattet sind, war eine Verteidigung der Anlage allenfalls gegen Räuberbanden möglich. Einem militärisch organisierten Angriff hatten die Mauern nichts entgegenzusetzen, da sie mangels Wehrgängen nicht verteidigungsfähig waren. Als Eingang dient ein prunkvolles Marmorportal in der Südmauer.
Im Jahre 1863 erlosch die Familie der Grafen Hendl von Goldrain durch Aussterben. Erbe des Hendl’schen Besitzes war die Familie Plawenn, die das Gebäude noch im gleichen Jahr um 18.000 fl an die Gemeinde Goldrain verkaufte. Diese tauschte die Liegenschaften mit der katholischen Kirche, aus deren Besitz das Gebäude dann in das Eigentum der Gemeinde Latsch überging.
Während der faschistischen Mussolini-Ära saß der Podestà im Schloss, das in dieser Zeit völlig herunterkam, da auch die Einrichtung nach und nach verschwand. Im Zweiten Weltkrieg wurde es unter anderem von der SS als Stützpunkt im Vinschgau genutzt. Nach dem Kriegsende wurde es zunächst von alliierten Truppen besetzt und dann Rücksiedlern als vorläufige Unterkunft überlassen. Die im Gesindehaus nach dem Ersten Weltkrieg eingerichtete Schule wurde vergrößert, es kamen ein Kindergarten und ein Lager der Freiwilligen Feuerwehr hinzu.
Die steigenden Unterhaltskosten brachten die Eigner dazu, über einen Verkauf nachzudenken. Nachdem eine Versteigerung scheiterte, wurden weitere Überlegungen angestellt und auch das Projekt Bildungshaus mit einer Genossenschaft als Träger angesprochen. Dieses vielversprechende Projekt scheiterte dann an politischen Querelen; das Landesdenkmalamt hatte inzwischen im Jahre 1985 die Dächer sanieren lassen müssen, um irreparable Schäden zu verhindern. Im Jahre 1987 wurde dann die Genossenschaft mit dem Ziel „Bildungshaus“ doch noch Wirklichkeit – dank eine Initiativgruppe vor Ort. Die Baumaßnahmen wurden mit Unterstützung des Landes Südtirol aufgenommen und trotz ständiger Schwierigkeiten und Geldmangels vorangetrieben.